Unabhängige Informationen zur Steuererklärung + Steuer-Software
Sie sind hier:

Kindergeld für ein volljähriges Kind mit angeborenem Gendefekt

Doktor Patient Arzt Ärztin Patientin Krankheit KrankenversicherungEltern haben für ein volljähriges Kind Anspruch auf Kindergeld, wenn das Kind wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten, und die Behinderung vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten ist. Das Finanzgericht Köln musste sich nun mit der Frage auseinandersetzen, ob die Voraussetzungen für einen Kindergeldanspruch auch dann erfüllt sind, wenn bei dem Kind ein angeborener Gendefekt erst nach Vollendung des 27. Lebensjahres diagnostiziert wurde, und sich das Kind bis zum Erreichen der Altersgrenze noch selbst unterhalten konnte.

Tochter des Klägers leidet an einer Myotonen Dystrophie

Die Tochter des Klägers, die inzwischen bereits 48 Jahre alt ist, leidet an einer Myotonen Dystrophie Curschmann-Steinert. Dabei handelt es sich um eine erbliche Muskelerkrankung, die zu einer langsam fortschreitenden Abnahme der Muskelkraft bei gleichzeitigem Auftreten von sog. myotonen Phänomenen führt. Obwohl erste Symptome wie etwa Probleme beim Aufstehen aus der Hocke oder gelegentliche Versteifungen in der Handmuskulatur bereits im Alter von 14 oder 15 Jahren auftraten, wurde die Krankheit zunächst nicht erkannt. Erst im Jahr 1998 wurde bei der Tochter die Erkrankung diagnostiziert, nachdem eine Cousine ein stark behindertes Kind geboren hatte und mehrere Familienmitglieder daraufhin eine gentechnische Untersuchung durchführen ließen. In der Folgezeit verstärkten sich die Symptome der Krankheit bei der Tochter des Klägers. Ihr Schwerbehindertenausweis weist seit dem Jahr 2009 einen Grad der Behinderung von 100 aus. Darüber hinaus wurden die Merkmale G (erhebliche Gehbehinderung) und aG (außergewöhnliche Gehbehinderung) festgestellt.

Familienkasse lehnt Kindergeldantrag des Vaters ab

Die Tochter des Klägers, die gelernte Bürokauffrau ist, arbeitete bis Mai 2010 bei einer Firma im Empfang. Dieses Arbeitsverhältnis wurde durch eine betriebsbedingte Kündigung beendet. Die in der Folge unternommenen Bewerbungen führten zu einer neuen Anstellung im September 2011. Allerdings wurde ihr dort bereits nach einer Woche wieder gekündigt, da sie die ihr übertragenen Aufgaben infolge ihrer Gehbehinderung nicht erfüllen konnte. Im Zuge einer Rehabilitationsmaßnahme wurde ihr angeraten, einen Rentenantrag zu stellen. Infolgedessen wurde ihr rückwirkend ab Oktober 2011 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zugestanden. Im August 2014 beantragte der Kläger Kindergeld für seine Tochter für die Zeit ab Januar 2010. Doch der Antrag wurde von der Familienkasse mit der Begründung abgelehnt, dass die Behinderung der Tochter nicht vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten sei. Die Tochter sei zwar mit einem Gendefekt geboren worden, dieser habe aber erst wesentlich später zu einer Behinderung geführt.

Voraussetzungen für einen Kindergeldanspruch sind erfüllt

Die dagegengerichtete Klage des Vaters hatte Erfolg. Das Finanzgericht Köln (FG Köln, Urteil vom 12. Januar 2017, Az. 6 K 889/15) entschied, dass die Familienkasse dem Kläger zu Unrecht das Kindergeld für den strittigen Zeitraum verwehrt hat, da die Voraussetzungen für einen Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG erfüllt sind. Dazu erklärten die Richter, dass entgegen der Einschätzung der Familienkasse die Behinderung der Tochter des Klägers vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten ist. Die Erkrankung der Tochter besteht seit ihrer Geburt, da es sich um einen angeborenen Gendefekt handelt, wie sich dem molekulargenetischen Befund der Universitätsklinik entnehmen lässt. Es steht dem nicht entgegen, dass die Krankheit erst nach der Vollendung des 27. Lebensjahres diagnostiziert worden ist, da es nur auf den objektiven Befund und nicht auf dessen Kenntnis ankommt. Ebenso wenig steht dem entgegen, dass die Tochter vor Vollendung des 27. Lebensjahres nur leichtere Symptome der Krankheit verspürt hat, so dass bis dahin noch keine wesentliche Beeinträchtigung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gegeben war. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs muss nur die Behinderung vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten sein, nicht jedoch die dadurch bedingte Unfähigkeit sich selbst zu unterhalten.

Bildnachweis: © Photographee.eu – Fotolia.com

Steuer-News per Email

Immer auf dem Laufenden bleiben
Wir geben Ihre Daten nicht weiter! Fragen?

Formulare runterladen

Kampf dem Formular-Frust

Benötigen Sie die Formulare als PDF-Version zum Ausfüllen am Computer?
Klicken Sie hier für Links und Hinweise